Begegnung auf den Nebelhöhen
Der Aufstieg war mühsam. Bjørn schnaufte und fragte sich, ob es die paar Goldstücke wert waren, sich derart abzuschuften. Die verängstigten Bauern aus dem Dorf waren ihm egal. Als sie ihm aber eine Handvoll Goldmünzen darboten, um das Dorf von dem Unhold zu befreien der regelmäßig Kinder und Tiere verschleppte, hatte er zugesagt. Er hatte noch einige Wochen Zeit um zum verabredeten Treffpunkt zu gelangen und ein kleiner Zuverdienst konnte nicht schaden. Die Bauern sagten der Unhold würde auf den Nebelhöhen hausen und des nachts für Raubzüge herunterkommen. Also wuchtete Bjørn seinen massiven Körper die Flanken der Hochebene hinauf, um dem Schrecken den Gar aus zu machen.
Während beim Aufstieg strahlender Sonnenschein dem Nordmann die Schweißperlen in den Bart rannen ließ, bedeckte dichter Nebel das gesamte Hochplateau. Auch die Temperatur war unnatürlich kühler. Bjørns Stiefel schmatzten durch kalten sumpfigen Boden und er irrte einige Zeit orientierungslos herum. Auch das Zeitgefühl verließ ihn und er konnte nicht mehr mit Bestimmtheit sagen wie lange er schon in der trostlosen Einöde umherwanderte. Nachdem er das zweite Lager abgebrochen hatte und sein Proviant sich dem Ende zuneigte entschied er sich grunzend die Suche abzubrechen und unvollendeter Dinge den Rückweg anzutreten. Als er aber fluchend ob der verschenkten Zeit den Abstieg suchte, stieß er unverhofft auf einige verfallene Gebäude. Dies musste einmal eine Art Tempelstätte gewesen sein und während er die Ruinen untersucht erfasste ihn ein unnatürlicher Hauch, der seine buschige Rückenhaare zu Berge stehen ließ. Instinktiv zog er sein breites Langschwert und presste das schwere Eichenschild fest an den Körper. Im nächsten Moment ertönte platschendes Hufgetrappel hinter ihm. Bjørn drehte sich um die eigene Achse und lenkte einen Lanzenstoß ab, der kratzend die Oberfläche seines Schildes aufriss. Der Reiter stob an ihm vorbei und mit einem Schwung hieb er sein Schwert durch die Flanke des Pferdes. Doch statt zu straucheln setzte das Tier seinen Weg fort. "Verdammter Wiedergänger!" fluchte Bjørn, doch bevor er vor Verachtung ausspucken konnte, nahm er den galoppierenden Lärm eines weiteren Angriffs hinter sich wahr. Die Lanze schnitt durch seine Seite, aber er warf sich mit seiner ganzen Masse gegen das nachfolgende Reittier, verkeilte sein Schwert in seinem Körper und zwang es auf die Knie. Mit seinem Schildarm versetzte er dem Reiter einen Stoß, befreite das Schwert und schlug der Kreatur den Kopf ab. Das Pferd wieherte unnatürlich bockte auf und stolperte samt Reiter davon. Grimmig beobachtete Bjørn wie der Wiedergänger ungeschickt und doch zielstrebig seinen Kopf vom Boden aufhob und sein Pferd zum nächsten Angriff wendete. Das Blut floss ihm aus der offenen Flanke und es bereitete ihm starke Schmerzen seinen Schwertarm zu heben, um den nächsten Angriffen zu begegnen. Es waren drei Zombiereiter, die sich nun kreisförmig um ihn herum auffächerten, um ihn gleichzeitig von allen Seiten zu attackieren. Bjørn schnaubte verächtlich und verwünschte die Dorfbewohner, welche nur von einem Unhold gesprochen hatten. Er zog das Schild dichter an den Körper, hob das Schwert und brüllte seinen Gegnern eine trotzige Herausforderung entgegen.
"Bærenstyrn!" schrien plötzlich viele Kehlen gleichzeitig, als sich die Zombiereiter gerade in den Angriffstrab begaben. Ein Pfeil sauste an Bjørns Kopf vorbei und schlug schmatzend in die Brust eines Angreifers. Der Kopf eines weiteren Zombies wurde hart zur Seite gerissen, als sich ein Armbrustbolzen in seine Schläfe bohrte. Praktisch zeitgleich tauchte ein wilder Krieger mit fellbesetztem Helm auf und hieb einen schweren Kriegshammer in die Brust des trabenden Pferdes. Der Hammerkopf grub sich tief in den morschen Brustkorb, das Pferd brach im Lauf zusammen und sein fauliger Reiter polterte zu Boden. Auf der anderen Seite tauchte ein weiterer furchterregender Krieger mit einer großen Axt auf, welche er in einem weitem Schwung gegen die Läufe des zweiten untoten Pferdes hieb. Die Vorderläufe wurden abgetrennt wie Zweige und das Untier stürzte samt Reiter zu Boden. Der verbliebende Unhold setzte seinen Angriff unbeirrt gegen Bjørn fort. Doch ein einzelner Angreifer stellte für den muskulösen Nordmann keine Bedrohung mehr dar. Er lenkte die Lanze mit dem Schild ab und hieb mit einem Rückhandschlag den Reiter oberhalb der Hüfte in zwei Hälften. Während der Oberkörper, der immer noch seinen eigenen Kopf in der Hand hielt vom Torso rutschte, durchbohrte ein weiterer herangeeilter Krieger den Kopf des am Boden liegenden Zombies mit seinem Schwert und nagelte den zuckenden Unhold am Boden fest. Bjørn schwang sein Schwert durch die Luft, um die Klinge vom groben Unrat zu befreien. Dann kniff er die Augen zusammen und blickte abwartend auf die Männer, die ihm so unverhofft zu Hilfe kamen.
Der behelmte Krieger mit der großen Axt befreite seine Waffe aus den Überresten des letzten Unholdes und schritt mit grimmiger Miene auf den hünenhaften Nordmann zu. Kurz vor Bjørn blieb er stehen und die restlichen vier Männer versammelten sich hinter ihm. Er reckte leicht den Kopf um Bjørn direkt ins Gesicht zu sehen. Dann entblößte sein struppiger Bart ein breites Grinsen. "Sei gegrüßt mächtiger Bjørn Bærenstyrn. Ich bin Erik Eisenbart und wir sind die Bræðuron. In Norsca unserer aller Heimstätt, besingen die Skalden deine Taten. Wir sind weit gereist um dich zu finden." Erik beugte ein Knie und stützte sich dabei auf seine Axt. Die anderen taten es ihm nach. Dann senkte er den Kopf sprach: "Du bist unser Schicksal, Bærenstyrn. Teile Ruhm und Gold mit uns und unsere Waffen und Leben sollen dein sein!"
Bjørn rammte sein Schwert in den Boden und ergriff Eriks Hand. "Bei den Göttern. So soll es geschehen! Und jetzt trinken wir!"